Faszientherapie

Der Begriff Faszien steht für Bindegewebe, das unseren ganzen Körper durchzieht. Die oberflächlichste Schicht befindet sich direkt unter der Haut im Unterhautfettgewebe. In der Tiefe umhüllt das Fasziengewebe unsere Muskeln, Sehnen und Organe und verbindet unsere Knochen und Gelenke.

Seit der Jahrtausendwende erlebt die Faszienforschung einen richtigen Boom. Zahlreiche Studien belegen mittlerweile, dass Faszien einen wesentlichen Einfluss auf zahlreiche Beschwerden wie z.B. Rückenschmerzen haben.

«Wir sind wirklich ein Netz von Fasern. Und das zieht sich von der Oberfläche der Haut bis in die Tiefe des Bindegewebes durch. Es gibt keine freien Räume, alles hängt zusammen.» (Guimberteau und Armstrong, 2016). Im Körper ist alles durch fasziale Strukturen anatomisch miteinander verbunden.

In den unterschiedlichen Faszienkonzepten werden die jeweiligen Strukturen unterschiedlich befundet und therapiert. Letztendlich haben alle Konzepte gemeinsam, dass das fasziale Gewebe gleitfähig und beweglich sein muss, um eine optimale Durchblutung und Innervation zu gewährleisten. Festes oder verklebtes Gewebe kann Bewegungsstörungen und Schmerzen verursachen und z.B. im Bereich von Organen zu Dysfunktionen und Krankheitsentstehung führen.

Schleip, ein bekannter Faszienforscher, hat in seinen Studien unter anderem untersucht, wie sich die Ruhigstellung eines gebrochenen Armes auf das fasziale Gewebe auswirkt. Es zeigte sich, dass die Ruhigstellung und der damit verbundene Bewegungsmangel zu einer «Wucherung» des Fasziengewebe führte. Im sonst geordneten System entsteht Unordnung – das Gewebe «verfilzt». Durch die Verfilzung des Gewebes wird dessen Gleitfähigkeit eingeschränkt was gleichbedeutend mit einem Verlust an Beweglichkeit ist. Ein Verlust an Beweglichkeit reduziert die Zirkulation von Flüssigkeiten in diesem Bereich was zu einer Veränderung vom pH-Level führt. Der Abfall des pH-Levels führt zu einer Stimulation der Schmerzrezeptoren mit Schmerzentstehung. Regelmässige Bewegung richtet unser Fasziengewebe aus, verbessert die Durchblutung und Drainage und ist für den Wasserhaushalt im Gewebe von grösster Wichtigkeit. Bewegung ist also essentiell für unsere Faszien.

Ein Beispiel aus der Praxis: Faszien spielen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine grosse Rolle. Langevin et al. (2009) untersuchten mittels Ultraschall die  Rückenfaszie im Kreuzbereich. Dabei stellte sich heraus, dass bei chronischen Rückenschmerzen die Gleitfähigkeit dieser sogenannten lumbalen Rückenfaszie um bis zu 50 Prozent gegenüber der normalen Beweglichkeit reduziert war. Als Ursache dafür wird die Verfilzung des Fasziengewebes in diesem Bereich vermutet, welche durch mangelnde Bewegung, bereits bestandene Schmerzen, ungesunde Ernährung und andere Ursachen begünstigt wird. Eine wichtige Entdeckung gerade in der heutigen Zeit, in der viele Menschen den grössten Teil ihres Tages sitzend verbringen (BAG). 

Fasziengewebe hat eine grosse Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Probleme im Fasziengewebe können unbehandelt zu chronischen Beschwerdebildern führen. Im Umkehrschluss können diese aber durch eine Verbesserung der Fasziensituation lokal und im verbundenen Gewebe positiv beeinflusst und unter Berücksichtigung der beeinflussenden Faktoren (Ernährung, Bewegung, Entspannung, Ausgleich etc.) therapiert werden.

Verschiedenste Faszienkonzepte werden durch unsere Therapeuten angeboten und nachfolgend vorgestellt:

Das FDM ist eine Methode zur Schmerztherapie im Bereich des Bewegungsapparates. Aus Sicht der FDM Methode sind Faszien der Schlüssel in der Diagnostik und der Behandlung von Beschwerden. Das Diagnosekonzept basiert auf der Eigenwahrnehmung des Patienten, in dem die Beschreibungen der Beschwerden sowie die Körpersprache intensive Beachtung finden. Die klinische Erscheinung und die Anamnese vervollständigen die Diagnose. Ausgehend von diesen Informationen entscheidet der FDM-Therapeut zwischen sechs spezifischen Fasziendysfunktionen. Jede dieser Dysfunktionen hat charakteristische Zeichen, an denen die Unterscheidung stattfindet und auch auf diese Dysfunktion zugeschnittene Techniken. Die Behandlung erfolgt direkt im Anschluss.

Die FDM-Methode wird ständig weiterentwickelt und durch wissenschaftliche Forschung und Studien im Bereich der Faszien und des Bindegewebes unterstützt.

Durch die gezielte, direkte und sehr spezifische Faszienbehandlung können akute Beschwerden äusserst schnell und effektiv beeinflusst werden. Chronische Fasziendistorsionen zeigen auch nach Monaten oder Jahren noch die gleichen, spezifischen Zeichen wie zum Zeitpunkt der Enstehung, oft aber abhängig von der Zeit, maskiert durch zusätzlich aufgebaute Distorsionen z.B. Hinken oder Änderungen im Bewegungsverhalten. Anwendungsbeispiele für die Methode des Fasziendistorsionmodells sind akute Schmerzen durch Verstauchungen, Verrenkungen, Hexenschuss, Sportverletzungen und chronische Beschwerden wie Rückenschmerzen, Schulter- und Nackenschmerzen, Bewegungseinschränkungen, Schwächegefühle und Sensibilitätsstörungen.

Unsere Therapeuten sind anerkannte FDM-Therapeuten und nach EFDMA und/oder IFDMO Richtlinien ausgebildet.

Myofascial Release ist eine körpertherapeutische Methode. Der Therapeut sucht nach Verdickungen, Verfestigungen oder Verkürzungen von Bindegewebszügen. Diese Störungen bzw. Dehydrierungen lassen bestimmte Zonen innerhalb von Faszienzügen verkürzen wodurch die Gleitfähigkeit des Bindegewebes und dessen Stoffwechsel beeinträchtigt wird. Dies führt über kurz oder lang zu schmerzhaften Syndromen.

Durch gezielte Manipulationen tief sitzender Bindegewebsrestriktionen wird über das Fasziensystem ausgleichend auf den Gesamtorganismus eingewirkt und dem Körper zu neuer Balance und Vitalität  verholfen.

Die Ziele dieser Methode sind die Verbesserung der Beweglichkeit und Verschiebbarkeit des Bindegewebes und dadurch einer Entlastung der Gelenke. Blockierte Gelenke werden so gelöst und veränderte Bewegungsmuster aufgelöst.

Die Faszien Manipulation ist eine manuelle Therapie, die von Luigi Stecco, einem italienischen Physiotherapeuten, in den letzten 40 Jahren entwickelt wurde. Mit dem Blickwinkel vorallem auf die tiefliegenden muskulären Faszien geht die Methode davon aus, dass das myofasziale System ein dreidimensionales Kontinuum ist. Diese Methode stellt ein komplettes biomechanisches Modell dar, dass die Rolle der Faszien in Bewegungsstörungen entschlüsselt. Das Hauptaugenmerk der manuellen Methode von Luigi Stecco liegt in der Identifizierung von spezifischen, lokalisierten Bereichen von Faszien in Verbindung mit spezifischen eingeschränkten Bewegungen. Sobald eine eingeschränkte oder schmerzhafte Bewegung identifiziert wird, wird ein spezifischer Punkt auf der Faszie beeinflusst und durch die passende Manipulation dieses präzisen Teils der Faszie kann die Bewegung wieder hergestellt werden.

  • European FDM Association (2014). Fasziendistorsionsmodell nach Stephen Typaldos. European FDM Association.
  • Langevin HM, Stevens-Tuttle D, Fox JR, Badger GJ, Bouffard NA, Krag MH, Wu J, Henry SM (2009): Ultrasound evidence of altered lumbar connective tissue structure in human subjects with chronic low back pain. BMC Musculoskeletal Disorders, 10(1): 151-159.
  • Paoletti S (2011): Faszien, Anatomie, Strukturen, Techniken, Spezielle Osteopathie, Urban und Fischer Verlag, Elsevier, München.
  • Schleip R, Buschmann B (2016). Faszien Krafttraining. Riva Verlag, München.
  • Schleip R, Baker A (2016). Faszien in Sport und Alltag. Riva Verlag, München.
  • Schleip R, Bayer J (2018). Faszien Fitness. 2.Auflage, Riva Verlag, München.
  • Schwind P (2018). Praxishandbuch Faszienbehandlung. 4. Auflage, Urban und Fischer, Elsevier.
  • Stecco C (2015). Functional Atlas of the Human Fascial System. Churchill Livingstone, Elsevier.
  • Typaldos S (1999). Orthopathische Medizin. Verlag für Ganzheitliche Medizin Dr.Erich Wühr GmbH.

 

 

Therapie Ostschweiz by Ralf Dornieden und Thomas Langhans